Die Idee, im Ausland zu studieren, hatte ich schon seit längerer Zeit. Weil ich gerne Englisch lernte, war schnell klar, dass ich einem englischsprachigen Land landen würde. Dass ich mich für Edinburgh entschieden habe, hat diverse Gründe: Schottland ist das einzige englischsprachige Land, in dem die Studiengebühren zahlbar sind (nur geringfügig höher als in der Schweiz). Ausserdem gefiel mir die politische Aufbruchsstimmung in Schottland nach dem Unabhängigkeitsreferendum 2014. Diese ist mittlerweile verpufft, nach dem Brexit-Desaster herrscht politisches Chaos. Im Herbst 2015 machte ich Ferien in Edinburgh, die Stadt gefiel mir sehr. Ich fasste den Entschluss, mich für den Umweltwissenschafts-Kurs an der University of Edinburgh zu bewerben und alles Mögliche zu unternehmen, um den Platz zu kriegen. Nach Hunderten Cambridge-ESOL-Übungsblättern und der mühevollen Optimierung meiner BG- und Franz-Noten (ich musste einen gewissen Schnitt im Maturzeugnis erreichen und da zählten alle Fächer) schaffte ich die Anforderungen und bekam ein Angebot der Uni.
Nun bin ich hier und habe das erste Jahr bald hinter mir. Gefällt es mir hier? Ja und nein; ich habe ein zwiespältiges Verhältnis zur Stadt entwickelt. Edinburgh ist eine schöne Stadt mit vielen Parks und die Leute sind spürbar freundlicher als in der Schweiz. Es fiel mir relativ leicht, Gleichgesinnte kennenzulernen und es läuft immer etwas. Mich stört hingegen die Grösse der Stadt, zum Trainieren muss ich mich zuerst 30 Minuten durch hässliche Vorstädte kämpfen. Autos sind omnipräsent, weil es keine Parkplätze und -Häuser gibt, werden einfach die Strassenränder vollgeparkt.
Die kulturellen Unterschiede halten sich in Grenzen, es ist nicht so, dass hier alle Dudelsack spielen und Speck mit Bohnen zum Frühstück essen. Es sind vor allem Details, hier ein paar Sachen die mir aufgefallen sind:
- Ordnung ist weniger wichtig als in der Schweiz, z.B. deponieren alle ihren Müll im Treppenhaus
- Geschirrspülmaschinen haben es noch nicht nach Schottland geschafft
- Die Heimlieferung von Supermarkt-Einkäufen ist sehr populär
- ·Die meisten Museen, die Wasserversorgung und das Gesundheitssystem sind gratis
Die grösste Umstellung war dann auch nicht kulturell, sondern vom strukturierten Zivi-Job zum Studentenalltag, den ich selber planen und organisieren kann/muss. Auch das Zusammenleben in einer WG mit wildfremden Menschen mit komplett anderen Hintergründen (ein Amerikaner aus Louisiana und eine Chinesin) war eine grosse Umstellung und stellt mich immer wieder vor neue Herausforderungen.
Sobald man die Agglomeration hinter sich gelassen hat, ist die Gegend gut geeignet zum Velofahren. Es hat es viele kleine Strassen mit sehr wenig Verkehr. Die Landschaft ist recht kahl und hügelig, dominiert von Schafweiden und Windrädern, die mein Öko-Herz erfreuen. «Richtige» Anstiege hat es keine, doch viele kurze Mini-Hügel, nach zwei Stunden hat man trotzdem 500 hm auf dem Garmin. Das Wetter ist ähnlich wie in der Schweiz, etwas wechselhafter und kälter im Sommer, dafür wärmer im Winter. Ich habe eine britische Lizenz gelöst und werde in den kommenden Monaten bei schottischen Strassenrennen versuchen, mal schauen, was dabei herauskommt….
Ich konnte und kann definitiv wertvolle Erfahrungen sammeln hier, doch ich denke nicht, dass ich mich hier dauerhaft niederlassen werde. Die Schweiz gefällt mir dann doch noch etwas besser und ich sehe dort mehr Möglichkeiten, meine Öko-Kenntnisse anzuwenden.
Silas Schweizer
Franziska Baumann meint
Ich wünsche Silas weiterhin Alles Gute und viele weitere tolle Erlebnisse. Diese Erfahrung kann Dir niemand nehmen. Viel Glück Franziska