Mit dem Fahrrad bis ans Meer; nach Nizza… tönt spannend – aber nicht unbedingt die Route Napoleon; die wäre sicher auch schön, aber die Herausforderung, dauernd von Autos „begleitet“ zu werden, ist wenig erfreulich. Was gibt es sonst? Nun ja; über die Pässe!!! So ging es ans Planen: wie viele Kilometer mag man (frau) mit dem Tourenrad und Gepäck eigentlich fahren, wenn man (frau) total untrainiert ist? Wie viele Etappen, wo übernachten, …. alles Fragen, die sich natürlich nur (klischeehaft) eine Frau stellt ;-))
Nun, wir entschieden uns also, in 9 Etappen mit dem Fahrrad von Genf nach Nizza zu fahren, dort ein paar Tage zu verbringen und dann mit dem Zug wieder zurück. Die Vorfreude war gross und doch, als es ans Packen ging, war es nicht mehr so lustig. In fast ganz Europa regnete es die ganze Zeit und die Temperaturen waren auch nicht gerade so, wie man es sich wünscht. Somit wurde das Packen ebenfalls ein Abenteuer und wir hatten am Schluss wohl mehr Gepäck als gewollt…
Am 11. Juni 2016 fuhren wir mit dem Zug bis nach Genf. Der Morgen in Rubigen war wie gewohnt verhangen und es sah nah Regen aus…als wir dann aber in Genf ankamen, schien die Sonne und somit fuhren wir frohen Mutes los. Endlich aus Genf und Umgebung raus, wurde es auch auf der Strasse langsam ruhiger und wir konnten die Fahrt und Aussicht geniessen. Gemütlich fuhren wir Richtung Berge – nach La Clusaz. Bis auf einen kurzen, heftigen Regenschauer konnten wir diese erste Etappe bei trockenem Wetter bewältigen. Richtig motiviert und bei Sonnenschein ging es am zweiten Tag von La Clusaz über den Col des Aravis nach Albertville. Als es dann am Abend und auch am dritten Tag regnete, sank der Mut. Wie sollen wir bei dem Wetter über den Col de la Madeleine? Schneeketten haben wir keine! Wir hatten Glück und schon kurz nach dem Start hörte es auf zu regnen und wir fuhren bei angenehmen Temperaturen Richtung La Chambre.
Die Fahrt zum Col de la Madeleine war härter als gedacht und zog sich hin. Die Temperaturen stiegen einen Moment lang ziemlich an, aber auf dem Pass war das Wetter schlecht und kalt. Das kleine Restaurant war voll von Gümmelern aus Südafrika. Wir quetschten uns in eine kleine Ecke und hofften auf einen Teller heisse Pasta… Sie hätten nur Früchtekuchen, hiess es. Was ist mit Suppe? Die fast erfrorenen Südafrikaner schauten uns neidisch an, als die Kellnerin mit Rechaud und einer Pfanne dampfender Suppe zu uns kam. Bald schon dampfte es dann aber auch auf den anderen Tischen… Gut aufgewärmt traten wir die Abfahrt nach La Chambre an.
Die Südafrikaner trafen wir dann im gleichen Hotel wieder an und wurden am vierten Tag auf der Fahrt über den Col de Télégraphe von ihnen verfolgt. Wir nahmen es aber gemütlicher und übernachteten in Valloire.
Somit führte die fünfte Etappe „nur“ noch über den Col du Galibier und den „Gratispass“ Col du Lautaret nach Briançon. Die Fahrt über den Col du Galibier war für mich ziemlich anstrengend. Es fehlten eindeutig die Kondition und die Kraft in den Beinen. Überwältigend waren aber nicht nur die Aussicht in die Berge, der Schnee und die Murmeltiere sondern auch die „Daumenhoch“ und Zurufe der Velofahrer und sogar motorisierten Reisenden. Auf dem Pass oben wurde sogar geklatscht – wahrscheinlich sah ich so abgeschlagen aus, dass sie dermassen Mitleid mit mir hatten und dachten, sie müssten mich so motivieren 😉 Egal, es war einfach nur Gänsehaut pur!
Am nächsten Tag in Briançon war das Wetter wirklich nicht gerade toll. Es regnete heftig und die Kraft in den Beinen hatte schon ziemlich nachgelassen. So entschieden wir uns, den Col d’Izoard auszulassen und direkt nach Guillestre zu fahren. Von dort mussten wir bis nach Vars doch noch knappe 1‘000 Hm überwinden; aber wir hatten uns richtig entschieden und waren froh um ein bisschen weniger Anstrengung.
Am siebten Tag – nein, kein Ruhetag – starteten wir bei schönstem Sonnenschein in Vars und fuhren über den Col de Vars und Col de la Bonette nach Saint-Etienne-de-Tinée. Auch hier wurden wir wieder von Murmeltieren „begleitet“; ich habe noch nie so viele frei lebende Murmeltiere gesehen, wie dort. Alles war schön und gut, doch kurz vor Ankunft auf dem Col de la Bonette verschlechterte sich das Wetter zunehmend und wir hatten keine Chance auch noch die Cîme de la Bonette auf 2‘802 MüM zu umrunden. Es kam dann auch rasend schnell ein ekliger Graupelschauer und wir mussten uns beeilen, runter ins Tal zu fahren. Es wurde grausig kalt und die Abfahrt war nicht mehr lustig. Wie soll man bremsen, wenn man die Finger kaum mehr spürt und der Körper dauernd am Zittern ist? Noch nie haben wir die Kilometer bei einer Abfahrt gezählt und waren froh, endlich auf einer Höhe zu sein, wo es wieder trocken und wärmer war und wir sogar die Veloschuhe wechseln konnten…so viel zur Geschichte vom Packen…
Als wir in Saint-Etienne-de-Tinée, immerhin noch auf 1‘140 MüM, ankamen, konnte man doch wieder in T-Shirt und Shorts spazieren gehen. Von Saint-Etienne-de-Tinée waren es noch ca. 100 km bis Nizza. Geplant war eigentlich, dass wir diese Strecke in zwei Tagen machen wollten. Als wir aber am nächsten und achten Tag merkten, dass es fast 60 km mehr oder weniger nur runter geht, wussten wir, dass das Ziel nicht mehr weit ist und Nizza somit zu unserem Tagesziel wurde. Am Ende benötigten wir für die letzten 97km ca. 4 Std. Fahrzeit und vernichteten 1‘253m. Morgens um 9h starteten wir in Saint-Etienne-de-Tinée in den Bergen gestartet und am Nachmittag um ca. 14.30h genossen wir das Meer… was für eine Fahrt und was für ein gewaltiges Hochgefühl!!!
Technische Daten:
- 8 Etappen
- ca. 500km
- ca. 9‘700 HM
- 42 Std. 18 Minuten im Sattel und keine Pannen
Marlene Balmer und Christoph Nyffenegger
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