Von St. Anton zum Comersee: Alpencross mit grossem Spaßfaktor – Ein Bericht von Riikka Rakic
Ein Alpencross (Alpenüberquerung) war schon immer auf meiner ‘Bucket List’. Einmal hatte ich mich schon dafür angemeldet aber es kam anders und nachhinein hat es mir nicht leidgetan. Ich war schlicht nicht vorbereitet.
Letztes Ostern hat mich eine Freundin bei der Skitour auf die Idee gebracht, es diesen Sommer doch endlich zu machen. Gesagt, getan.
Da mir nur eine Woche in den Sommerferien zur Verfügung stand, habe ich mich für eine geführte Tour mit Firma JOKO-Bikereisen aus München entschieden. Abfahrt Sonntag den 13. Juli ab St. Anton am Arlberg, Ankunft Freitag 19. Juli am Comer See. Mit fleissigem Training würde es schon klappen…
“Hochalpine Singletrails, spektakuläre Alpenpässe und 4000-er Megapanorama in einer Transalp vereint!” hiess es in der Tourenbeschreibung auf der Webseite des Organisators. Die Tour, die sie ‘Grandioso’ nennen, erforderte die Konditionsklasse K3+ von 6 mit täglichen Höhenmetern von 1533m, und die Fahrtechnik L3 von 4. Mit dem letzteren hatte ich einige Befürchtungen, da Bunny-Hops und Spitzkehren wirklich nicht zu meinem Repertoire gehören. Aber warum nicht?! Dafür war diese Tour die Luxusvariante, da JOKO das Gepäck (max 15kg, nicht in Hardschalkoffern mit Rollen!) von Hotel zu Hotel transportierte und für uns die ganze Logistik organisierte. Wir mussten nur einen Tagesrucksack mit (Regen)Kleidern, Snacks und Getränken mitführen.
Am Sonntag um 9:15 Uhr war der Treffpunkt in St. Anton am Arlberg. Ich bin am Vorabend mit dem Zug angereist um die Reiselogistik zu optimieren. Wir waren insgesamt 9 Teilnehmer + 2 Guides: Ingo aus Passau und der junge Tom aus Berlin, der eine Art „Tourguide-in-Lehre“ ist (als Sohn des Firmeninhabers, eines ehemaligen ostdeutschen Radprofis). Dazu dann eine Gruppe von 7 erfahrenen Alpencrossern aus Niederbayern, Steven aus Belgien und ich aus Münsingen. 9 Männer, 2 Frauen.
Schon um 9:40 Uhr sind wir losgefahren in Richtung Heilbronner Hütte und Ischgl. Nette Schotterauffahrt bevor die letzten paar 100hm nur mit Schieben zu meistern waren. Mittag in der Hütte und bei etwas trübem Wetter ging es weiter auf Wegen und Trails Richtung Ischgl. Der erste Tag mit ca. 1350hm war geschafft. Wie zum Aufwärmen. Am Abend war noch das Finalspiel der Fussball-WM 2014, das bekanntlich mit dem 4. Stern für den DFB endete. Kein Wunder war die Freude gross in einer Truppe von 9 Deutschen!
Am Tag 2 ging es gleich steil los. Trotz der Vorhersage, die nichts Gutes verhiess, sind wir bei bewölktem, aber trockenem Wetter hinauf zur Heidelberger Hütte. Nach der Pause noch eine Schiebepassage (ca. 400Hm) bis hinauf zum Fimberpass. Dann folgte eine Abfahrt, angeblich fahrbar, aber bei meinem Fahrkönnen war der Spassfaktor bei der Steilheit und Steine/Schotter gleich null. Nachdem ich trotzdem heil unten angekommen bin, konnte ich die Waldwege, Trails und Hängebrücken unten am Flussbett jedoch sehr genießen. Die letzten 10 Minuten der Fahrt nach Scuol hat es geregnet, aber es war das einzige Mal in der ganzen Woche, dass wir nass wurden!
Tag 3 hat vieles versprochen und so war es auch. Knapp 1300hm auf einer sehr fahrbaren, aber langen Schotterauffahrt, inkl. Pause bei einer urigen Berghütte, hatten es schon in sich. Dann kamen wir zu der Felsröhre der Uina-Schlucht und mir blieb buchstäblich der Atem weg! Gott sei Dank für das Fahrverbot – ich konnte kaum laufen. Dann ging es über die Hochebenen auf den Schliningpass und nach dem Mittag erstmals lange runter und dann noch in der Nachmittagshitze ein paar 100hm hoch auf Sta. Maria im Val Müstair.
Der 4. Tag war die Königsetappe. Knapp 2100hm waren das Tagesziel. Bei schönem Wetter ging es gleich um 8Uhr früh los auf einer Asphaltauffahrt zum Umbrailpass und dann weiter auf einem schönen Panorama-Singletrail bis zum Pso. Forcola, dem höchsten Punkt der ganzen Tour (2768m). Von dort fuhr die fahrtechnisch bessere Hälfte auf einer ‚grandiosen’ Singleabfahrt weiter, wo jeder einzige Fehler einer zu viel war. Die andere Hälfte, inklusive mir, war mit der Schotterabfahrt ganz glücklich. Vom Cancano-Stausee mussten wir noch den Passo Trelahoch und endlich hinunter nach Livigno. An diesem Tag war das Nachmittagsbier (oder 2) wohl verdient!
Am Tag 5 hatte keiner Lust auf die extra 500hm, daher sind alle mit der Gondel hochgefahren. Damit konnte man die Singletrails durchs Livigno-Tal schön geniessen bevor es wieder hoch ging: auf den Forcola di Livigno und weiter hoch auf Berninapass. Nach einem Mittag mit grandioser Sicht auf den Palü-Gletscher fuhren wir runter nach Pontresina, wo das soeben renovierte superschöne Hotel Palü wartete.
Der 6. und letzte Tag war mit 90km der längste, hatte dafür aber nur 1000hm zur Aufgabe. Bei schönstem Wetter fuhren wir an St. Moritz und Silvaplana vorbei über Sils auf den Malojapass. Es wurde immer heisser und bei der Ankunft in Dubino am Comer See waren es gefühlte 40C Grad. Daher war der Sprung in den See mehr als verdient!
Was für eine tolle Tour! Knapp 10 000hm und ca. 330km über die schönsten Alpenpässe und durch wunderschöne Täler. Wir hatten Riesenglück mit dem Wetter und trotz täglicher Anstrengung von 9-17 Uhr, 6 Tage Spass pur! Die Gruppe aus Niederbayern war immer für einen Spass zu haben und die Stimmung war exzellent! Somit kann ich die Erfahrung Alpencross nur empfehlen. Das nächste Mal muss ich dann wohl die ‚hard-core’ Variante ohne Gepäcktransfer und Wäscheservice wählen (oder auch nicht, denn geniessen muss man es ja auch!!
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